Die Deutschen reisen wieder, und das nicht nur per Auto, Flugzeug und Bahn, sondern auch per Schiff. Kreuzfahrten mussten sich in den vergangenen Jahren jedoch immer stärkere Kritik gefallen lassen.
Umweltbelastung, Ausbeutung, Overtourism – diese Kritikpunkte werden häufig angebracht. An den Fakten scheiden sich jedoch die Geister – und bei den Deutschen sind nach Kreuzfahrten nach zwei Jahren Auszeit mittlerweile wieder absolut populär.
Warum der Urlaub auf dem Schiff so beliebt ist, liegt auf der Hand: Eine Kreuzfahrt bietet Entspannung und Entschleunigung, oftmals Luxus pur sowie ein hervorragendes Unterhaltungsangebot. Gleichzeitig lassen sich in kürzester Zeit diverse Länder entdecken, wobei sogar die Reisezeit entfällt, oder zumindest im wahrsten Sinne des Wortes im Schlaf vergeht. 2,7 Millionen Deutsche buchten laut Studien 2018 eine Kreuzfahrt, 2019 waren es bereits mehr als drei Millionen, während die Zahlen 2020 und 2021 natürlich deutlich sanken. Die Prognose: weitere Schiffe werden gebaut, wobei ein Kreuzfahrtschiff wie von Tui oder Aida rund 600 Millionen Euro im Bau kostet. Karl Pojer von Hapag-Lloyd gab bereits 2019 im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt an, dass in den kommenden Jahren weltweit 70 Kreuzfahrtschiffe gebaut werden sollen, 20 davon im deutschsprachigen Markt.
Die Umweltschützer gehen an die Decke, nicht nur was die Verschmutzung der Meere und den CO2-Ausstoß betrifft, sondern auch die Umweltverschmutzung an den Zielorten, die Ausbeutung der Hafenstädte, die furchtbaren Arbeitsbedingungen auf den Schiffen zu geringen Löhnen, und das alles bei Umgehung von Steuerabgaben, da viele Schiffe in „Billigländern“ wie Malta, den Bahamas oder Liberia gemeldet sind.
Wie schlimm diese Auswirkungen faktisch sind, darüber besteht allerdings wenig Einigkeit. Die Gegner listen stichhaltige Beweise für die gigantische Umweltbelastung durch die Cruiser: Ein Kreuzfahrschiff verbraucht an einem Tag so viel CO2 wie 84.000 Autos, zudem werden viele Schiffe traditionell mit Schweröl betrieben, von dem ein Schiff pro Tag rund 150 Tonnen verbrennt und mit dem Sondermüll das Meer erheblich belastet. Weiter heißt es, ein Schiff verbraucht so viel Energie wie eine Kleinstadt, und das, selbst wenn es im Hafen liegt – wenn statt Landstrom weiterhin Schiffsdiesel genutzt wird. Dabei stößt es am Tag mehr Feinstaub aus als eine Million Autos und so viel wie Schwefeldioxid wie 376 Millionen Autos, rechnen vehemente Kreuzfahrtgegner.
Die großen Reedereien sprechen sich jedoch gegen diese Kritik aus, oder relativieren sie immerhin. Weltweit gebe es über 50.000 Handelsschiffe, Kreuzfahrtschiffe machen weniger als ein Prozent davon aus, betont Karl Pojer, und dass Hapag-Lloyd 2020 entschied bei seinen Schiffen komplett auf Schweröl verzichtet. Heute werden bereits 70 Prozent der Flotte umweltschonender betrieben. Zu den Alternativen gehört in erster Linie Flüssiggas (LNG), was auch von Aida und Nova inzwischen als Antrieb genutzt wird. Auch Vertreter von Tui betonen, dass sie alles daran setzen ihre Schiffe umweltfreundlicher zu machen – wie beispielsweise durch Abgasnachbehandlung, was die Emissionen drastisch senkt – 99 Prozent weniger Schwefeloxide, 75 Prozent weniger Stickoxide und 60 Prozent weniger Partikel fallen in diesem Fall an. Wybcke Meier von Tui Cruises betonte gegenüber dem Hamburger Abendblatt, dass das neue „Mein Schiff 2“ beispielsweise 40 Prozent weniger Energie verbrauche als andere Schiffe der gleichen Größe.
Fällt die Umweltbelastung im Vergleich zum weltweiten Flugverkehr überhaupt ins Gewicht? Wohl kaum, sagen die Cruise-Experten, während die Gegner betonen, dass die meisten Kreuzfahrtgästen zudem mit dem Flieger zum Ausgangshafen reisen und das Fliegen an sich Fortbewegungsmittel und nicht Freizeitbeschäftigung ist.
Ein weiterer Kritikpunkt ist oft die Ausbeutung der Zielorte. Während Landtouristen durch Übernachtung, Verpflegung und Ausflüge viel Geld dort lassen, wird bei einer Kreuzfahrt das meiste Geld an Bord gemacht. Viele Attraktionen auf dem Schiff sind inklusive, dennoch wird an Bord großzügig ausgegeben, sei es für Alkohol oder im Casino – und auch wer die wichtigsten Roulette Tipps kennt, weiß, dass die Bank immer am besten verdient. Kritiker tönen, dass die Touristen dann beim Landgang den Hafen überströmen, vielleicht eine Postkarte oder ein Souvenir kaufen, sonst aber dort wenig Geld ausgeben, sondern lediglich ihren Müll hinterlassen.
Auch dieser Vorwurf nur teilweise gerechtfertigt, denn die Zahlen zeichnen an vielen Orten ein anderes Bild: Der Reederei-Branchenverband Clia ermittelte laut der Süddeutschen Zeitung, dass jeder Kreuzfahrtpassagier, der seine Reise an einem deutschen Hafen beginnt, am ersten Tag dort 156 Euro ausgibt, während ein Tagestourist im Schnitt 48 Euro in der Stadt lässt. Auch von „Overtourism“ kann nur bedingt die Rede sein, denn an vielen Zielorten wird die Zahl der täglichen Besucher von Kreuzfahrtschiffen inzwischen beschränkt. Zumal diese insgesamt nur einen geringen Teil der Besucherzahlen über Jahr gemessen ausmachen. Die Tui betonte in ihrem Nachhaltigkeitsbericht , dass im Jahr 2018 insgesamt 28 Millionen Touristen Venedig besuchten, nur fünf Prozent – rund 1,4 Millionen – waren dabei Gäste von Kreuzfahrtschiffen, in Barcelona waren es im gleichen Jahr acht Prozent.
Zumal viele kleineren Orte den Wirtschaftsaufschwung durch die anlegenden Cruiser durchaus begrüßen: Tui gab weiter an, dass sich die Zahl der Kreuzfahrttouristen zwischen 2011 und 2017 auf den nordschottischen Orkney-Inseln auf 130.000 verdreifacht habe, die 20.000 Einwohner jedoch keineswegs darüber erbost seien, sondern den volkswirtschaftlichen Mehrwert begrüßen, während sie gleichzeitig die Besucherströme mit politisch und wirtschaftlich Maßnahmen entsprechend lenkten, um die Natur nicht zu belasten.
Wirtschaftliche Vorteile und soziale Nachteile wie die Belastung der Bewohner, müssen demnach sorgfältig abgewogen werden, zumal die Zielhäfen selbst die Zahl der Besucher einschränken können. Ein Student am Rochester Institute of Technology Croatia ermittelte beispielsweise laut dem SZ-Bericht, dass 80 Prozent des Kreuzfahrtverkehrs in Kroatien auf Dubrovnik entfallen, wobei die Stadt wirtschaftlich absolut von diesen Touristen profitiert – mit 41 Euro pro Tag und Passagier im Jahr 2018. Um die sozialen Auswirkungen zu mindern, reguliert Dubrovnik jedoch inzwischen die Zahl der Schiffe, die hier täglich anlegen dürfen.
Die meisten Reedereien betonen zumindest öffentlich ihr umweltbewusstes Handeln: In der Antarktis dürfen beispielsweise maximal 100 Touristen gleichzeitig von Bord gehen. Auch in den Ostsee-Hafen, wo Deutschlands größter Strom an Kreuzfahrttouristen verzeichnet wird, sowie in Skandinavien herrschen strikte Umweltauflagen für die Schiffe wie auch Regulierungen zur Begrenzung des Besucherstroms.
Wenngleich Kreuzfahrttouristen gewöhnlich in einem Schwung nach dem Anlegen in die Hafenorte einfallen, seien dies jedoch geringe Zahlen, wie Wybcke Meier betonte: wenn derzeit um zwei Millionen Menschen eine Kreuzfahrt buchen (2021 waren es laut Statista sogar nur 946.000), stehe das im deutlichen Kontrast zu den 70 Millionen Deutschen, die organisiert reisen. Kreuzfahrten seien demnach noch immer eine Nische im Tourismus.
Wer dennoch besorgt ist und sich die Kritik zu Herzen nimmt, kann seinen persönlichen Beitrag leisten, um die negativen Auswirkungen einer Schiffsreise zu reduzieren. Beispielsweise indem man nur bei Reedereien bucht, die ihre Schiffe mit umweltschonenderen Stoffen antreiben. Das Kreuzfahrt-Ranking der NABU beispielsweise listet die Betreiber, die fortschrittlich sind und Umwelt-und Klimaschutzmaßnahmen ergreifen. Die deutschen Größen wie Aida, Hapag-Lloyd und Tui haben die Nase dabei tatsächlich weit vorn, neben Reedereien wie Ponant und Hurtigruten.
Wer mit dem Auto statt dem Flugzeug zum Ausgangsort anreist, spart zudem CO2-Ausstoß, weshalb deutsche Touristen gut damit beraten sind ihre Kreuzfahrt an einem heimischen Hafen zu beginnen, um unnötige Umweltbelastung zu vermeiden.
Auch beim Landausflug kann sich jeder Tourist verantwortungsbewusst verhalten, nicht nur, indem man keinen Müll hinterlässt, sondern auch, indem man die lokale Wirtschaft unterstützt und eben nicht nur eine Flasche Wasser und eine Postkarte kauft, sondern Ausflüge bei hiesigen Anbietern bucht und wenigstens eine Mahlzeit in einem örtlichen Restaurant zu sich nimmt.
Zudem gibt es viele Klimaschutzprojekte, die man mit Spenden unterstützen kann – ein guter und sicherlich vergleichsweise günstiger Ausgleich zu den Ausgaben einer Kreuzfahrt und um diese mit ruhigem Gewissen anzugehen.
Fotos: Gabriele Wilms
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