10. Wallenstein-Festspiele in Memmingen

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Zum 10. Mal spielen die Memminger ihre Geschichte um 1630 als Europas größtes Historienfestspiel nach. Vom 24. Juli bis zum 31. Juli 2016 wird die Zeit zurück gedreht in der ehemals freien Reichsstadt Memmingen wird die Teilhabe am Dreißigjährigen Krieg lebendig, dies wiederholt sich alle vier Jahre. Die Festspiele beginnen mit dem Einzug Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein, seinem Gefolge und Gästen nach Memmingen, ich nehme Sie mit, denn ich war dabei.

Der von Kaiser Ferdinand eingesetzte Feldherr Wallenstein nahm für 16 Wochen Quartier in Memmingen. Ein Heer mit hunderten von Pferden, Wagen und Kutschen entfaltete eine prunkvolle Hofhaltung mit dem Fuggerbau im Zentrum von Memmingen.

Einzug Wallensteins in die Stadt Memmingen

Als Wallenstein 1630 in die Stadt einzog, war dies kein freudiges Ereignis, sondern kam einer Besatzung der Stadt gleich. Am Einzug der Festspiele, dem 24.07.2016, sind rund 4.500 Mitwirkende in historischen Kostümen, etwa 300 Pferde und über 40 Wagen, teilweise echt vergoldeten Kutschen, die nachgebildeten Marketenderwagen und die Kanonen beteiligt.

Für die möglichst authentische Darstellung wird auf Flaggen- und Fahnenschmuck, sowie Blechmusik verzichtet, selbst die Brillen sind dem Jahr 1630 entsprechend. Das Pfeifen und trommeln der Soldaten unterstreicht die ernste Stimmung, Jubel und Begeisterung sucht man vergebens, die Mitwirkenden dürfen nicht lächeln und nicht winken.

Wallenstein, sein Hofstaat und Bedienstete, seine Gäste, wie der dänische Prinz Ulrich mit dessen höfischer Gesellschaft, werden begleitet von verschiedenen Gruppen als Tross. Kürisser (Pappenheimer), die schwere Reiterei, Pikeniere, die Infanterie, Musketiere, Artillerie und Magyaren (kroatische Reiter) bilden das beeindruckende militärische Aufgebot Wallensteins.

Zudem wurde ein Heer zur damaligen Zeit von vielem Gesindel begleitet. Bettler, Gaukler und Huren, aber auch rechtschaffende Marketender (fahrendes Händlervolk) erhofften sich einen Verdienst im Schatten der Krieger und Höflinge und belebten den Alltag.

Über zwei Stunden lang zogen die Gestalten der damaligen Zeit an uns vorbei, um sich danach in ihren Lagern bzw. Quartieren niederlassen. Mit dabei sind unter anderem die Pappenheimer mit ihren geschlossenen Visierhelmen oder gar die Magyaren Isolanis, die galoppieren bis die Funken sprühen.

Von meinem Tribünenplatz konnte ich diesen Zug bestens verfolgen und tolle Fotos schießen, um auch Sie daran teilhaben zu können.

Selbstverständlich war auch der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Streitmächte, Generalissimus Wallenstein persönlich, der von Bernd Klotz dargestellt wird, in einer schönen offenen Kutsche mit dabei. Das Spiel um Wallenstein hat eine lange Tradition in Memmingen, denn deren Bürgen haben bereits 1900 das erste Mal an die Schrecken des 30-jährigen Krieges gedacht. Dann wieder 1925,1930 und 1935 verwandelte sich die Stadt in eine Bühne und die Bürger in Soldaten, Trossweib, Marketenderin und den Feldherren Wallenstein. Wallenstein brachte eine viermonatige Pause, von Mai – September 1630, die von der evangelischen Bevölkerung als wohltuend empfunden wurde. Ringsum tobte der Krieg, schlugen „Katholische“ „Evangelische“ und umgekehrt. In Memmingen dagegen war Ruhe durch das Hauptquartier Wallensteins und seiner politischen Umtriebe. Religiöse Toleranz beherrschte das Bild und Wallenstein ließ die protestantischen Reichsstädter walten, dem Kriegsziel eigentlich entgegen.

Am 31.07.2016 zieht Wallenstein mit seinem Gefolge wieder aus der Stadt und die Besucher können dies in einem so prachtvollen Umzug, wie zum Einzug beobachten.

Das Historienspiel schöpft aus der Geschichte Memmingens, die im Archiv von Augenzeugen sehr genau überliefert wurden. Einer dieser war Sebastian Dochtermann, der im 17. Jahrhundert alle im deftig-köstlichen Schwäbisch zu Papier brachte. Dazu kommen die Berichte des Stadtarztes Dr. Christoph Schorer und die Zeilen der Ratsprotokolle, Kriegsrechnungen und Folianten im Stadtarchiv.

Zur Person Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein

Wallenstein von Bernd Klotz dargestellt

Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein (eigentlich Waldstein) wurde am 24. 09. 1583 in Hermanitz an der Elbe, eines alten böhmischen Adelsgeschlecht der Grafen von Waldstein, geboren. Mit 11 Jahren war er Vollweise und wurde Schwager seiner Mutter Heinrich Slavata auf Schloss Koschumberg erzogen. Mit 26 heiratete er eine extrem wohlhabende Adelige, deren Vermögen er bereits nach 5 Jahren erbte, als sie starb. Durch seine 2. Heirat 1623 mit Isabella, Tochter des Freiherrn Karl von Harrach zu Bruck, öffneten sich für Ihn die Türen am Hofe. Nachdem seine eigenmächtigen und geheimen Friedensbemühungen während des Dreißigjährigen Krieges zu keinen Erfolg geführt hatten und in Wien kompromittierende Einzelheiten bekannt wurden, verurteilte ihn ein Geheimgericht wegen Verrats. 1634 wurde Wallenstein vom Kaiser für abgesetzt erklärt.

In einem Komplott wurden am Abend des 25.02.1634 in Eger seine engsten Vertrauten ermordet und wenige Stunden später er selbst.

Lagerleben und Veranstaltungen während der Festspiele

Während der Wallenstein-Festspiele leben die Mitwirkenden aus Memmingen und dem Inn- und Ausland in den zwei großen Lagern in der Stadt, wie der Grimmelschanze und des Reichshain, wie damals 1630. Als Gäste kann man das Lagerleben im vorbei laufen beobachten und im gekennzeichneten Bereichen essen und trinken. Auf keinen Fall darf man die Absperrungen übertreten und in die Lager eindringen. Dies wird mit einem Bad im Holzzuber oder teeren und federn bestraft.

Es macht Spaß die Kinder der Mitwirkenden zu beobachten, die das Lagerleben sichtlich genießen, einfach aufblühen, mit Feuer spielen, marschieren üben oder mit Holzwaffen kämpfen.

Gigantisch sind die aufgestellten Kanonen, die größte musste von 8 Pferden gezogen werden. Diese kann man auch im Lager bewundern.

Von Tross Aldringen, über die Jäger Holk, den Marketenderinnen, der Leibwache der Dänen, dem Tross Piccolomini, der Kriegskasse Waldenfels, Musketiere, dem Hofstaat und der Leibwache Wallensteins sind im Lager Grimmelschanze zu finden, um nur einige aufzuzählen. Im Lager werden immer wieder Lagerspiele vor der bezaubernden Kulisse der Stadtmauer durch Gaukler, Jongleure, Akrobaten, Zauberern und Musikern statt. Dabei vergisst man heute wie damals den Alltag, damals des Krieges.

Im Lager Reichhain finden Sie zum Beispiel die Kürisser, Magyaren, Tross Butler, Tross Schaffgotsch, Gallas Dragoner und Kanoniere. Hier finden auch die Reiterspiele statt.

Das bunte Treiben in den Lagern, das Lagerleben der Armee, Soldaten, Musketiere und allen anderen sind einfach faszinierend, dem Alltag von damals 1630 zu erleben. Essensdüfte wehen einen um die Nase, Trinklieder, Rufe und Lachen, laute Befehle, Exerzierübungen und das Knallen der Musketiere erfüllen das Lagerleben. Abends wird es richtig romantisch, ein besonderes Flair, wenn an den Zelten unzählige Feuer brennen.

Dänische Prinz Ulrich und seine Leibgarde

Eine Woche lang werden jeden Abend historisches Theater auf dem Marktplatz und so genannte „Lagerspiele“, ein buntes Varieté der damaligen Zeit, dargeboten. Das „Lager“ liegt in der Stadt und wird von der noch vorhandenen alten Stadtmauer umgeben. Spektakulär geht es bei den beliebten Reiterspielen zu. Weitere Programmpunkte bilden der „Tanz auf dem Kopfstein“, die Schlachtdarstellung und die Handwerkerschau.

An vielen Abenden findet auf dem schönsten Platz der historischen Altstadt von Memmingen, dem Marktplatz, die Aufführung des historischen Theaters „ A G´frorner bin i… oder die Suche nach dem Glück“ statt. Dabei wird das Schicksal einzelner Bürger 1630 dargestellt, als Wallenstein in der Stadt sein Quartier aufschlug.


Wallenstein fährt auf den Marktplatz

Infos zu den Wallenstein-Festspielen habe ich aus der Festschrift erhalten. Ich danke der Allgäu GmbH und Stadtinformation Memmingen für die Unterstützung.

Lager Grimmelschanze dänisches Lager

Fotos Gabriele Wilms

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Gabriele Wilms
Über Gabriele Wilms 778 Artikel
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Tätigkeit als Reisejournalistin und Bloggerin. Ich bin Inhaberin des Reisemagazin Toureal und betreue es als verantwortliche Chefredakteurin. Gut ein Drittel des Jahres bin ich daher in den schönsten Hotels, Regionen Europas und weltweit für unser Reisemagazin unterwegs .

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